Donnerstag, 19. März 2015

Die Hohe Behörde der EGKS

Die Organe der Gemeinschaft waren:
  • Hohe Behörde: exekutive Gewalt mit neun unabhängigen Mitgliedern (legislatives Element, ging 1967 in der Europäischen Kommission auf), der ein Beratender Ausschuss zur Seite stand (Interessenvertretung, 51 Mitglieder: Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und Verbrauchsorganisatoren, heute Wirtschafts- und Sozialausschuss)
  • Besonderer Ministerrat („Rat“): Ressortminister der einzelnen Länder (Vorläufer des Rats der Europäischen Union)
  • Gemeinsame Versammlung („Europäisches Parlament“): 78 Mitglieder, Vorläufer des Europäischen Parlaments, Kontrolle der Hohen Behörden
  • Gerichtshof: sieben Mitglieder mit supranationaler Rechtsprechung (judikatives Element, Vorläufer des Europäischen Gerichtshofes)
  • Rechnungshof: 12 Mitglieder

Fusionsvertrag


Der »Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften«, kurz F., fasst die Organe der 3 Europäischen Gemeinschaften (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, EGKS; Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, EWG und Europäische Atomgemeinschaft, Euratom bzw. EAG) zusammen. Der F. wurde am 8.4.1965 unterzeichnet und trat am 1.7.1967 in Kraft. Von diesem Zeitpunkt an verfügten alle 3 Gemeinschaften über einen gemeinsamen Rat, eine gemeinsame Kommission, eine gemeinsame Administration und einen gemeinsamen Haushalt, behielten jedoch ihre vertragliche Eigenständigkeit. Die Hohe Behörde der EGKS wurde mit dem F. abgeschafft. Der F. prägte maßgeblich die Gestalt der heutigen EU: Sowohl Kommission als auch Rat sind Bestandteil des politischen Systems der EU. Die Politikbereiche, die die 3 Gemeinschaften verwalten, bilden seit dem Vertrag von Maastricht die erste Säule der EU (der Vertrag von Lissabon wird diese Säulenkonstruktion allerdings formal aufheben). Der Vertrag der EGKS lief 2002 aus. Die EWG wurde mit dem Vertrag von Maastricht (1993) in Europäische Gemeinschaft umbenannt. Euratom ist nach wie vor Bestandteil der EU-Verträge.

Samstag, 14. März 2015

Die Mitgliedstaaten der EU



Die Mitgliedstaaten der EU bzw. der Europäischen Gemeinschaften sind (Beitrittsjahr): Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande (1952; Dänemark, Großbritannien, Irland (1973); Griechenland (1981); Portugal, Spanien (1986); Finnland, Österreich, Schweden (1995); Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta, Zypern (2004); Rumänien, Bulgarien (2007)


Mittwoch, 11. März 2015

Föderalismus

Unter Föderalismus (von lat. foedus, foedera „Bund“, „Bündnis“, „Vertrag“) wird heute vorwiegend ein Organisationsprinzip verstanden, bei dem die einzelnen Glieder (Gliedstaaten) über eine gewisse Eigenständigkeit undStaatlichkeit verfügen, aber zu einer übergreifenden Gesamtheit (Gesamtstaat) zusammengeschlossen sind. Oftmals wird der Begriff undifferenzierend benutzt und sowohl auf Föderationen im engeren Sinne als auch auf Konföderationenangewandt.
Als föderalistischer Staat (in der Literatur zuweilen auch Föderalstaat genannt) wird demzufolge ein Staat bezeichnet, der nach dem Bundesstaatsprinzip aufgebaut ist und somit aus Teilstaaten besteht, die bestimmte eigene (beschränkte), mithin staatsrechtliche Kompetenzen besitzen, welche nicht vom Gesamtstaat abgeleitet werden. Teilweise wird den Gliedern des Bundes ein Austrittsrecht eingeräumt, wobei das geschriebene Verfassungsrecht aber nicht notwendigerweise mit der Verfassungswirklichkeit übereinstimmen muss. Die „Prinzipienerklärung“ der UNO-Generalversammlung vom 24. Oktober 1970 schließt ein Recht auf Sezession im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts der Völker weitgehend aus.

Konträre Wortbedeutung


m Kontext des Föderalismus in den Vereinigten Staaten ist zu beachten, dass diese Wortbedeutung aus historischen Gründen der im Deutschen geläufigen in gewissem Sinne entgegengesetzt ist: als Federalism wird hier gerade die Idee einer starken gesamtstaatlichen Zentralgewalt bezeichnet; gleiches gilt für Kanada und Australien.[1]
Aus historischen Gründen ist ein „Föderalist“ (federalist) in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Australien und Kanada ganz im Gegenteil jemand, der die Rechte des Gesamtstaates ausbauen will. Die USA waren nach der Unabhängigkeit 1783 zunächst (auf Grundlage der Konföderationsartikel) ein Staatenbund, und Politiker wie die derFederalist Papers wollten daraus eine engere Föderation, einen Bundesstaat (Föderativstaat) machen. Im Englischen werden die Ausdrücke federation und confederationteilweise für das deutsche Begriffspaar Bundesstaat und Staatenbund verwendet, aber die Terminologie ist nicht einheitlich. So heißt der Norddeutsche Bund auf Englisch, trotz seines staatlichen Charakters, North German Confederation.

Ideengeschichte und Entwicklung der Theorie des Föderalismus[Bearbeiten]

Politischer Föderalismus[Bearbeiten]

In der Politik ist damit speziell ein staatliches Organisationsprinzip gemeint, infolgedessen einzelne Gliedstaaten (Länder, Staaten) einen Bundesstaat – im Sinne eines föderativen respektive föderalen Gesamtstaates (Föderation) – oder (in wesentlich lockerer Form) einen Staatenbund bzw. eine Konföderation bilden.[2] Die Glieder eines Bundesstaates (je nach Untersuchungsobjekt beispielsweise LänderBundesländerKantone oder Bundesstaaten genannt) geben dabei ihre staatliche Souveränität auf, behalten aber ihre Staatlichkeit als Gebietskörperschaft. Der Gesamtstaat, der „Bund“, entscheidet über alle Fragen von Einheit und Bestand des Ganzen (z. B. Sicherung der Bündnisgrenzen), die Länder haben das Selbstbestimmungsrecht in ihren Kompetenzbereichen (in der Bundesrepublik Deutschland z. B. BildungPolizei). Meist wird der Begriff Föderalismus auf souveräne Staaten bezogen, die mehreren geografisch eingegrenzten Teilgebieten ihres Staates eine gewisse politische Autonomie einräumen. Diese darf nicht ohne weiteres wieder entzogen werden und ist meist in der Verfassung festgelegt. Die so genannten Gliedstaaten besitzen eigene politische Organe und eigene Kompetenzen zur Regelung ihrer Angebote und leiten diese Rechte nicht vom Einheitsstaat ab. (Zur unterschiedlichen Aufteilung der staatlichen Kompetenzen in Staatenbünden und Bundesstaaten siehe unten.)
Der staatliche Föderalismus ist immer geprägt vom Spannungsfeld der Beziehungen zwischen Gesamtstaat und den Gliedstaaten, so dass es durchaus zu Pendelbewegungen hin zu mehr Zentralisierung oder zu mehr Dezentralisierung kommen kann. Unabdingbare Voraussetzung für den Föderalismus ist die Gleichberechtigung aller Glieder. Das Gegenteil des Föderalismus ist der zentral regierte Einheitsstaat, auch Zentralstaat genannt.
Seit der Aufklärung gehen viele Denker davon aus, dass es bei Freigabe der Föderalisierung zu einem Zusammenschluss der selbstständigen Gemeinden über zunächst regionale und dann kulturkreisumgreifende Zusammenschlüsse bis zum Weltbund komme.
Neben dem die Staatsidee stützenden (etatistischen) Verständnis (Föderalismus von oben) tritt eine freiheitliche (libertäre) Auffassung auf (Föderalismus von unten), auch als „nachhaltiger Föderalismus“ bezeichnet. Ihr zufolge sind die kleinsten gesellschaftlichen Gebilde (Gruppen, Gemeinden) autonom. Sie gehen aus eigenem Antrieb Zweckbündnisse ein, geben jedoch nur diejenigen Aufgaben an ihre Vereinigungen ab, die sie selbst nicht wahrnehmen können.[3]
Dem nachhaltigen Föderalismus liegt das Verlangen des Menschen zugrunde, selbst bestimmen zu dürfen, welche Bindungen an Gemeinschaft und Moral er eingeht (Naturrecht), und mitbestimmen zu dürfen, was die Gemeinschaft beschließt (unmittelbare Demokratie). Die Bündnisse, die die selbstständigen Gemeinden eingehen, haben eine kündbare Zweckfunktion (enge Auslegung des Subsidiaritätsprinzips). Dieses Verständnis vom Föderalismus ist vielerorts gelebt worden, wo keine Staatsgewalt vorhanden war oder Menschen sich ihr – teils gewaltsam – entzogen hatten.
Heutzutage argumentieren einige, dass Demokratie, Selbstbestimmung und die wirtschaftliche Entwicklung auf lokaler Ebene durch den Zentralismus der Nationalstaatenbehindert werden. So schreibt der Historiker Peter Josika, dass Föderalismus sogar Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie sei und dass die Gemeinde Ausgangspunkt jedes demokratischen Staatswesens sein sollte.[4]

Institutioneller Föderalismus[Bearbeiten]

Beispiel für institutionellen Föderalismus sind manche Parteien (oder auch Vereine etc.), die sich, zum Beispiel in Deutschland, in den Gliedstaaten bilden und Aufgaben und Kompetenzen der Organisation auf eine Dachorganisation übertragen, die in Teilgebieten eigenständig agieren kann, in anderen Teilen jedoch auf die Teilorganisation angewiesen sind.

Entstehung[Bearbeiten]

Bundesstaaten können auf vier Arten entstehen:
  • ein Zusammenschluss bislang selbstständiger Staaten zu einem größeren Staatswesen (z. B. Schweiz);
  • Auflockerung und Zerteilung bisheriger Zentralstaaten (z. B. SpanienBelgienVereinigtes Königreich);
  • Fortführung des Denkens einer bestehenden gewissen Selbstständigkeit innerhalb einer Monarchie (Stichwort: Kronländer) und Überführung dessen in eine republikanische Form (z. B. Österreich);
  • oder sie werden von außen aus weltpolitischen Gründen oktroyiert (z. B. Bosnien und Herzegowina).
Selbstständige Gemeinden sind entstanden
  • bei der Besiedlung eines bisher unbewohnten Gebiets (z. B. auf Island),
  • nach Abschüttelung einer Herrschaft (z. B. Dithmarscher Bauernrepublik, Alte Eidgenossenschaft),
  • nach der De-facto-Auflösung eines Staates (z. B. im somalischen Hinterland),
  • aus dem Bewusstsein, dass der Staat für Sicherheit und Zukunft nicht sorgt (z. B. gated, intentional, lifeboat communities).

Funktionen des Föderalismus[Bearbeiten]

Der politische Ertrag einer föderativen Ordnung ist insbesondere:[5]
  • ein stufenweise geregeltes politisches System (politische und gesellschaftliche Selbststeuerung),
  • die Belebung demokratischer Mitwirkung, auch durch
  • die Erleichterung politischer Partizipation „vor Ort“,
  • die Verteilung der politischen Willensbildung auf mehrere Ebenen nach dem Subsidiaritätsprinzip, hierdurch auch
  • die Zurückführung der politischen Willensbildung auf ein „menschliches Maß“ und
  • die Gewinnung von Sachnähe und Flexibilität,
  • die Sammlung politischer Erfahrung auf begrenzten „Experimentierfeldern“,
  • die Förderung eines „föderativen Wettbewerbs“ durch die Möglichkeit des regionalen Vergleichs,
  • die Verhinderung einer Machtkonzentration durch föderative Gewaltenteilung und
  • die Heranbildung politischer Nachwuchskräfte auf regionaler Ebene.
Über Schwächen und mögliche Nachteile des Föderalismus siehe Föderalismus in der Schweiz.

Ambivalenz zwischen Selbstbestimmung und übergeordneter Regelungsgewalt[Bearbeiten]

Grundsätzliches[Bearbeiten]

Wie in Bundesstaaten, so ist überhaupt in größeren politischen Gemeinwesen ein Ausgleich zu finden zwischen einerseits dem ordnungspolitischen Anspruch des übergeordneten Verbandes auf gesamtdemokratische Entscheidungs- und Regelungsgewalt und andererseits dem Anspruch auf demokratische Selbstbestimmung nachgeordneter ethnischer, religiöser, traditioneller oder auch nur regionaler Teile der Gemeinschaft, ein Konflikt, der in jüngster Zeit in manchen Staaten Aktualität gewonnen hat. Der Weg zu einem Kompromiss liegt zum einen in politischer Dezentralisation, d. h. in einer Gewährung politischer und insbesondere rechtlicher Autonomien, die von einer staatlichen Föderalisierung bis zu regionalen und kommunalen Selbstbestimmungsrechten reichen kann, zum andern in einem ausgewogenen Zusammenwirken politischer Repräsentationsorgane.

Politische Dezentralisation[Bearbeiten]

Vor allem die in der Föderalisierung liegende politische Dezentralisation ist in Verbindung mit dem Subsidiaritätsprinzip ein wichtiges Instrument, politische Entscheidungen zukultivieren und bürgernah zu gestalten. Nach Reinhold Zippelius bestimmt das Maß der Dezentralisation und der mit ihr verbundenen „‚Autonomien‘ […] nicht nur darüber mit, wieviel ‚Freiheit‘, nämlich Selbstgestaltungsmöglichkeit, in einem staatlichen System herrscht. Sie beeinflusst auch die Lernfähigkeit des Systems, nämlich seine Fähigkeit, Informationen über die Lebensumstände und ihren Wandel, insbesondere über die vorherrschenden Bedürfnisse und Zielvorstellungen aufzunehmen und auf sie mit geeigneten rechtlichen Lösungen zu antworten. Auch unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Aufgabe, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einer Selbststeuerung der Teilsysteme und zentralen Steuerungen des Gesamtsystems zu suchen. […] Den übergeordneten Regelungsinstanzen verbleibt dann weitgehend nur eine ‚Steuerung der Selbststeuerung‘ der nachgeordneten Teilsysteme, insbesondere eine Festlegung der Rahmenbedingungen, innerhalb deren sich autonome Regelungen entfalten können. In größeren Gemeinwesen sind auch solche koordinierenden und richtungbestimmenden Funktionen in optimaler Weise nicht von einer einzigen Zentralinstanz zu übernehmen. Besser geeignet ist ein hierarchisches Gefüge staatlicher Unter-, Mittel- und Zentralinstanzen oder ein Stufenbau von Selbstverwaltungskörperschaften.“[6]

Demokratische Ambivalenz[Bearbeiten]

In Bundesstaaten und anderen föderativen Staatenverbindungen ist „einerseits dem demokratischen Selbstbestimmungsrecht der Gliedstaaten Rechnung zu tragen und eine ausgewogene föderative Repräsentation zu gewährleisten. Andererseits sind auf Bundesebene (Unionsebene) die Bürger demokratisch egalitär, d. h. mit gleichem Stimmgewicht zu repräsentieren“.[7] Beides lässt sich schwer miteinander in Einklang bringen: Wenn bei Beschlüssen der Staatengemeinschaft nicht jeder Bürger mit gleichem Stimmgewicht (one man, one vote) repräsentiert wird, droht ein „gesamtdemokratisches Defizit“. Ein gleiches Stimmgewicht für jeden Unionsbürger bringt andererseits aber die Gefahr mit sich, dass kleine Gliedstaaten durch die Stimmkraft der volkreichen „an die Wand gedrückt“ werden können, sobald Entscheidungen der Gemeinschaftsorgane nicht einstimmig (mit Zustimmung aller Gliedstaaten) getroffen werden, und es entsteht ein „föderatives Defizit“. Das eine Defizit führt also zu gesamtdemokratischen, das andere zu föderativen Majorisierungen.[8] Um beides zu vermeiden, verlangt die Verfassung der USA insbesondere für die Gesetzgebung übereinstimmende Beschlüsse des Senats und des Repräsentantenhauses, wobei im Senat jeder Mitgliedstaat ohne Rücksicht auf seine Bevölkerungszahl von je zwei Senatoren (also mit gleichem föderativen Gewicht) repräsentiert ist und im Repräsentantenhaus jeder Bürger des Gesamtstaates (genauer: jeder Wähler) mit annähernd gleichem Gewicht vertreten ist.[9] Demgegenüber nimmt man in der Europäischen Union ein gesamtdemokratisches Defizit in Kauf, um die Entscheidungsfähigkeit der europäischen Organe zu stärken.
Über Schwächen und mögliche Nachteile des Föderalismus siehe Föderalismus in der Schweiz.

Gemeindeautonomie[Bearbeiten]

  • Sie befriedigt die Grundbedürfnisse des Menschen,
  • stärkt Toleranz,
  • schafft Frieden,
  • führt die nötige Mäßigung zur Erhaltung der Lebensgrundlagen auf der Erde herbei.

Typen des Föderalismus[Bearbeiten]

  • Unitarischer Föderalismus: z. B. Österreich
  • Kooperativer Föderalismus: z. B. Deutschland; verschränkte Machtbeziehungen zwischen Gliedstaaten und Bund mit dem Ziel der Verbesserung der staatlichen Leistungsfähigkeit.
  • Wettbewerbsföderalismus (kompetitiver Föderalismus): z. B. die Vereinigten Staaten von Amerika (USA)
  • Dualer Föderalismus: z. B. die USA; starke Trennung der Kompetenzen zwischen Gliedstaaten und Bund. Der konföderale Bundesstaat basiert auf dem Prinzip des Wettbewerbs und der Konkurrenz.
  • Symmetrischer Föderalismus, z. B. die Schweiz. Wenn die Teilstaaten eines Staatenbundes allesamt über die gleichen Rechte verfügen, nennt man diese Form „symmetrischen Föderalismus“.
  • Asymmetrischer Föderalismus, z. B. Spanien. Zwischen den Gliedstaaten sind Unterschiede in Hinsicht auf Rechte und Pflichten zu erkennen.
  • Differenz und Vereinigungsföderalismus – Unterschied nach dem Kriterium „gesellschaftliche Differenzierung oder Konkordanz“.
  • Nachhaltiger (libertärer) Föderalismus. Selbständige Gemeinden schließen sich aus eigenem Antrieb zusammen, um erledigt zu erhalten, was sie für sich allein nicht bewältigen können.

Bundesstaaten[Bearbeiten]

 HauptartikelBundesstaat (Föderaler Staat)

Abgrenzung zu Einheitsstaaten und Staatenbünden[Bearbeiten]

Ein Bundesstaat unterscheidet sich zum einen vom Einheitsstaat, zum anderen vom Staatenbund.
Während ein Staatenbund eine nur völkerrechtliche Verbindung souveräner Staaten ist, ist ein Bundesstaat eine staatsrechtliche Verbindung (nichtsouveräner) Staaten zu einem (souveränen) Gesamtstaat. Die Beziehungen zwischen dem Bund und seinen Gliedstaaten und zwischen den Gliedstaaten untereinander sind staatsrechtlicher (nicht völkerrechtlicher) Art.[10] Die gesamtstaatliche Verfassung des Bundesstaates verteilt die staatlichen Befugnisse zwischen den Zentralorganen des Bundes und den Gliedstaaten in der Weise, dass weder die Bundesorgane noch die Gliedstaaten eine der anderen Institution übergeordnete Regelungsmacht haben. Durch diese in der gesamtstaatlichen Verfassung begründete Aufteilung der Kompetenzenhoheit unterscheidet sich der Bundesstaat einerseits vom Einheitsstaat und andererseits vom Staatenbund.[11]
Demgegenüber ist in einem Einheitsstaat, z. B. in Frankreich, die Kompetenzenhoheit zentralisiert. Alle rechtlichen Kompetenzen im Staat werden von dieser staatlichen Kompetenzenhoheit abgeleitet und unterstehen ihrer Verfügungsmacht. So hat dort z. B. eine lokale Behörde keine Befugnisse aus eigenem Recht, die den Einheitsstaat hindern würden, diese Kompetenzen wieder zu entziehen oder die Behörde aufzulösen.

Kompetenzverteilung zwischen Bund und Gliedstaaten[Bearbeiten]

Die Bundesstaatlichkeit ist ein konkretes politisches System.[12]
Bei der Aufgabenverteilung wird unterschieden zwischen:
sachlicher Kompetenzverteilung
die staatlichen Zuständigkeiten werden zwischen Bund und Gliedstaat nach inhaltlichen Kriterien verteilt:
Beispielsweise übernimmt der Bund die Außen- und Finanzpolitik, während die Länder für Bildungswesen und Innere Sicherheit zuständig sind.
funktionaler Kompetenzverteilung
die Zuständigkeiten zwischen Bund und Gliedstaaten unterscheiden sich nach Art der zu erbringenden Leistung:
Der Bund erarbeitet z. B. Gesetze und die Gliedstaaten führen selbige aus.

Staatsgebiet[Bearbeiten]

In föderal organisierten Staaten stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Staatsgebiet des Bundes zu den Staatsgebieten der Mitgliedstaaten.
Neben der Übereinstimmung (Kongruenz) von Staatsgebiet des Bundes und der Gesamtheit der Staatsgebiete seiner Gliedstaaten wie etwa in der Bundesrepublik Deutschland gibt es auch Staaten mit Bundesgebieten, die nicht zugleich Gebiet eines Gliedstaates sind (bundesunmittelbare Gebiete), wie z. B. das Capital Territory Australiens, dieTerritorien Kanadas oder der District of Columbia der Vereinigten Staaten von Amerika. Schließlich sind auch Gebiete von Gliedstaaten denkbar, die nicht zugleich Bundesgebiet sind (bundesfreie Gebiete).
Bundesunmittelbaren Sonderstatus hatte auch das Reichsland Elsaß-Lothringen. Ein Beispiel für ein bundesfreies Gebiet ist der Südteil des Großherzogtums Hessen im Norddeutschen Bund 1867–1871.

Staatenbünde[Bearbeiten]

 HauptartikelStaatenbund
Eine andere Erscheinungsform des Föderalismus ist der Staatenbund. Ein Staatenbund entsteht durch vertraglichen Zusammenschluss souveräner Staaten. Hier können zwar gemeinsamen Institutionen einzelne Hoheitsrechte übertragen werden. Die umfassende Kompetenzenhoheit verbleibt aber den Mitgliedstaaten. Diese behalten auch das Recht, aus eigener Entscheidung aus dem Bund auszutreten. Ein Beispiel ist die Afrikanische Union.

Föderales Europa[Bearbeiten]

 HauptartikelVereinigte Staaten von Europa
Lange Zeit konnte man bei der EWG und EG von einem Staatenbund sprechen. Verträge wie die Montanunion hatten sogar ein Ablaufdatum. Heute besitzt die EU neben einer Verwaltung auch feste Kompetenzen, die auf Basis der EU-Verträge vom Europäischen Gerichtshof überprüft werden. Bereits jetzt verkörpert die EU ein supranationales Konstruktsui generis, das über einen organisierten Staatenbund[13] hinausgeht; allerdings ist sie kein Staat.[14] Deshalb prägte das deutsche Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 1993 den Begriff Staatenverbund als Bezeichnung für die EU. Diese Definition wird zumindest von deutschen Juristen gerne verwendet. Die Forderung nach einer bundesstaatlichen gesamteuropäischen Verfassung wird als „europäischer Föderalismus“ bezeichnet.

http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%B6deralismus#Funktionen_des_F.C3.B6deralismus

Dienstag, 10. März 2015

Winston Churchill Europa-Rede in der Universität Zürich am 19. September 1946

Winston Churchill Europa-Rede in der Universität Zürich am 19. September 1946 

Im englischen Original und anschließend in deutscher Übersetzung 


I am honoured today by being received in your ancient university and by the adress which had been given to me on your behalf and which I greatly value. I wish to speak to you today about the tragedy of Europe. This noble continent, comprising on the whole the fairest and the most cultivated regions of the earth, enjoying a temperate and equable climate, is the home of all the great parent races of the western world. It is the fountain of Christian faith and Christian ethics. It is the origin of most of the culture, the arts, philosophy and science both of ancient and modern time. If Europe were once united in the sharing of its common inheritance, there would be no limit to the happiness, to the prosperity and the glory which its three or four million people would enjoy. Yet it is from Europe that have sprung that series of frightful nationalistic quarrels, originated by the Teutonic nations in their rise to power, which we have seen in this twentieth century and even in our own lifetime, wreck the peace and mar the prospects of all mankind. And what is the plight to which Europe has been reduced? Some of the smaller States have indeed made a good recovery, but over wide areas a vast quivering mass of tormented, hungry, care-worn and bewildered human beings gape at the ruins of their cities and their homes, and scan the dark horizons for the approach of some new peril, tyranny or terror. Among the victors there is a babel of voices; among the vanquished the sullen silence of despair. That is all that Europeans, grouped in so many ancient states and nations, that is all that the Germanic races have got by tearing each other to pieces and spreading havoc far and wide. Indeed but for the fact that the great Republic across the Atlantic Ocean has at length realised that the ruin or enslavement of Europe would involve their own fate as well, and has stretched out hands of succour and of guidance, but for that the Dark Ages would have returned in all their cruelty and squalor. Gentlemen, they may still return. Yet all the while there is a remedy which, if it were generally and spontaneously adopted by the great majority of people in many lands, would as if by a miracle transform the whole scene, and would in a few years make all Europe, or the greater part of it, as free and as happy as Switzerland is today. What is this sovereign remedy? It is to recreate the European Family, or as much of it as we can, and to provide it with a structure under which it can dwell in peace, in safety and in freedom. We must build a kind of United States of Europe. In this way only will hundreds of millions of toilers be able to regain the simple joys and hopes which make life worth living. The process is simple. All that is needed is the resolve of hundreds of millions of men and women to do right instead of wrong and to gain as their reward blessing instead of cursing. Much work, Ladies and Gentlemen, has been done upon this task by the exertions of the PanEuropean Union which owes so much to Count Coudenhove-Kalergi and which commanded the services of the famous French patriot and statesman Aristide Briand. There is also that immense body of doctrine and procedure, which was brought into being amid high hopes after the first world war. I mean the League of Nations. The League of Nations did not fail because of its principles or conceptions. It failed because these principles were deserted by those States who had brought it into being. It failed because the governments of those days feared to face the facts, and act while time remained. This disaster must not be repeated. There is therefore much knowledge and material with which to build; and also bitter dear bought experience to stir the builders. I was very glad to read in the newspapers two days ago that my friend President Truman had expressed his interest and sympathy with this great design. There is no reason why a regional organization of Europe should in any way conflict with the world organization of the United Nations. On the contrary, I believe that the larger synthesis will only survive if it is founded upon coherent natural groupings. There is already a natural grouping in the western hemisphere. We British have our own Commonwealth of Nations. These do not weaken, on the contrary they strengthen, the world organization. They are in fact its main support. And why should there not be a European group which could give a sense of enlarged patriotism and common citizenship to the distracted peoples of this turbulent and mighty continent? And why should it not take its rightful place with other great groupings and help to shape the onward destinies of men? In order that this should be accomplished there must be an act of faith in which millions of families speaking many languages must consciously take part. We all know that the two world wars through which we have passed arose out of the vain passion of a newly-united Germany to play the dominating part in the world. In this last struggle crimes and massacres have been committed for which there is no parallel since the invasion of the Mongols in the fourteenth century and no equal at any time in human history. The guilty must be punished. Germany must be deprived of the power to rearm and make another aggressive war. But when all this has been done, as it will be done, as it is being done, then there must be an end to retribution. There must be what Mr. Gladstone many years ago called "a blessed act of oblivion". We must all turn our backs upon the horrors of the past. We must look to the future. We cannot afford to drag forward across the years that are to come the hatreds and revenges which have sprung from the injuries of the past. If Europe is to be saved from infinite misery, and indeed from final doom, there must be this act of faith in the European Family and this act of oblivion against all the crimes and follies of the past. Can the free peoples of Europe rise to the height of these resolves of the soul and of the instincts of the spirit of man? If they can, the wrongs and injuries which have been inflicted will have been washed away on all sides by the miseries which have been endured. Is there any need for further floods of agony? Is the only lesson of history to be that mankind is unteachable? Let there be justice, mercy and freedom. The peoples have only to will it, and all will achieve their hearts' desire. I am now going to say something that will astonish you. The first step in the re-creation of the European Family must be a partnership between France and Germany. In this way only can France recover the moral and cultural leadership of Europe. There can be no revival of Europe without a spiritually great France and a spiritually great Germany. The structure of the United States of Europe, if well and truly built, will be such as to make the material strength of a single state less important. Small nations will count as much as large ones and gain their honour by their contribution to the common cause. The ancient states and principalities of Germany, freely joined together for mutual convenience in a federal system, might take their individual places among the United States of Europe. I shall not try to make a detailed programme for hundreds of millions of people who want to be happy and free, prosperous and safe, who wish to enjoy the four freedoms of which the great President Roosevelt spoke, and live in accordance with the principles embodied in the Atlantic Charter. If this is their wish, if this is the wish of the Europeans in so many lands, they have only to say so, and means can certainly be found, and machinery erected, to carry that wish to full fruition. But I must give you a warning. Time may be short. At present there is a breathing-space. The cannons have ceased firing. The fighting has stopped; but the dangers have not stopped. If we are to form the United States of Europe, or whatever name it may take, we must begin now. In these present days we dwell strangely and precariously under the shield, and I will even say protection, of the atomic bomb. The atomic bomb is still only in the hands of a state and nation which we know will never use it except in the cause of right and freedom. But it may well be that in a few years this awful agency of destruction will be widespread and the catastrophe following from its use by several warring nations will not only bring to an end all that we call civilisation, but may possibly desintegrate the globe itself.I must now sum up the propositions which are before you. Our constant aim must be to build and fortify the strength of the United Nations Organization. Under and within that world concept we must re-create the European Family in a regional structure called, it may be, the United States of Europe. And the first practical step would be to form a Council of Europe. If at first all the States of Europe are not wiliing or able to join the Union, we must nevertheless proceed to assemble and combine those who will and those who can. The salvation of the common people of every race and of every land from war or servitude must be established on solid foundations and must be guarded by the readiness of all men and women to die rather than submit to tyranny. In all this urgent work, France and Germany must take the lead together. Great Britain, the British Commonwealth of Nations, mighty America and I trust Soviet Russia-for then indeed all would be well-must be the friends and sponsors of the new Europe and must champion its right to live and shine. Therefore I say to you: let Europe arise! 


Herr Rektor, meine Damen und Herren,
 ich bin heute geehrt worden durch den Empfang in Ihrer ehrwürdigen Universität und durch die Dankadresse, welche mir in Ihrem Namen überreicht worden ist und die ich sehr zu schätzen weiß. Ich möchte heute über Europas Tragödie zu Ihnen sprechen. Dieser edle Kontinent, der alles in allem die schönsten und kultiviertesten Gegenden der Erde umfasst und ein gemäßigtes, ausgeglichenes Klima genießt, ist die Heimat aller großen Muttervölker der westlichen Welt. Hier sind die Quellen des christlichen Glaubens und der christlichen Ethik. Hier liegt der Ursprung fast aller Kulturen, Künste, philosophischen Lehren und Wissenschaften des Altertums und der Neuzeit. Wäre jemals ein vereintes Europa imstande, sich in das gemeinsame Erbe zu teilen, dann genössen seine drei- oder vierhundert Millionen Einwohner Glück, Wohlstand und Ehre in unbegrenztem Ausmaße. Jedoch brachen gerade in Europa, entfacht durch die teutonischen Nationen in ihrem Machtstreben, jene Reihe entsetzlicher nationalistischer Streitigkeiten aus, welche wir in diesem zwanzigsten Jahrhundert und somit zu unserer Lebenszeit den Frieden zerstören und die Hoffnungen der gesamten Menschheit verderben sahen. Und welches ist der Zustand, in den Europa gebracht worden ist? Zwar haben sich einige der kleineren Staaten gut erholt, aber in weiten Gebieten starren ungeheure Massen zitternder menschlicher Wesen gequält, hungrig, abgehärmt und verzweifelt auf die Ruinen ihrer Städte und Behausungen und suchen den düsteren Horizont angestrengt nach dem Auftauchen einer neuen Gefahr, einer neuen Tyrannei oder eines neuen Schreckens ab. Unter den Siegern herrscht ein babylonisches Stimmengewirr; unter den Besiegten das trotzige Schweigen der Verzweiflung. Das ist alles, was die in so viele alten Staaten und Nationen gegliederten Europäer, das ist alles, was die germanischen Völker erreicht haben, nachdem sie sich gegenseitig in Stücke rissen und weit und breit Verheerung anrichteten. Hätte nicht die große Republik jenseits des Atlantischen Ozeans schließlich begriffen, dass der Untergang oder die Versklavung Europas auch ebenso ihr eigenes Schicksal bestimmen würde, und hätte sie nicht ihre Hand zu Beistand und Führung ausgestreckt, so wäre das finstere Mittelalter mit seiner Grausamkeit und seinem Elend zurückgekehrt. Meine Herren, es kann noch immer zurückkehren. Und doch gibt es all die Zeit hindurch ein Mittel, das, würde es allgemein und spontan von der grossen Mehrheit der Menschen in vielen Ländern angewendet, wie durch ein Wunder die ganze Szene veränderte und in wenigen Jahren ganz Europa, oder doch dessen größten Teil, so frei und glücklich machte, wie es die Schweiz heute ist. Welches ist dieses vorzügliche Heilmittel? Es ist die Neuschöpfung der europäischen Völkerfamilie, oder doch soviel davon, wie möglich ist, indem wir ihr eine Struktur geben, in welcher sie in Frieden, in Sicherheit und in Freiheit bestehen kann. Wir müssen eine Art Vereinigte Staaten von Europa errichten. Nur auf diese Weise werden Hunderte von Millionen sich abmühender Menschen in die Lage versetzt, jene einfachen Freuden und Hoffnungen wiederzuerhalten, die das Leben lebenswert machen. Das Vorgehen ist einfach. Das einzige, was nötig ist, ist der Entschluss Hunderter von Millionen Männer und Frauen, recht statt unrecht zu tun und dafür Segen statt Fluch als Belohnung zu ernten. Viel Arbeit, meine Damen und Herren, wurde für diese Aufgabe durch die Anstrengungen der paneuropäischen Union getan, welche Graf Coudenhove-Kalergi so viel zu verdanken hat und welche dem Wirken des berühmten französischen Patrioten und Staatsmannes Aristide Briand seine Richtung gab. Es gibt auch jene riesige Fülle von Grundsätzen und Verfahren, welche nach dem Ersten Weltkrieg mit großen Hoffnungen ins Leben gerufen worden war, ich meine den Völkerbund. Der Völkerbund hat nicht wegen seiner Grundsätze oder seiner Vorstellungen versagt. Er hat versagt, weil die Staaten, die ihn gegründet hatten, diesen Grundsätzen untreu geworden waren. Er hat versagt, weil sich die Regierungen jener Tage davor fürchteten, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen und zu handeln, solange dazu Zeit blieb. Dieses Unglück darf sich nicht wiederholen. Viel Wissen und Vorarbeit, auf die aufgebaut werden kann, steht deshalb zur Verfügung; und auch teuer erkaufte Erfahrung, um die Handelnden zu ermahnen.Ich war sehr froh, vor zwei Tagen in den Zeitungen zu lesen, dass mein Freund Präsident Truman diesem grossen Plan sein Interesse und seine Sympathie bezeugt. Es gibt keinen Grund, weshalb eine regionale europäische Organisation auf irgendeine Weise mit der Weltorganisation der Vereinten Nationen in Konflikt geraten sollte. Ich glaube im Gegenteil, dass der grössere Zusammenschluss nur lebensfähig bleibt, wenn er sich auf eng verbundene natürliche Gruppen stützen kann. In der westlichen Hemisphäre gibt es bereits eine natürliche Gruppierung. Wir Briten haben unser eigenes Commonwealth. Dieses schwächt die Weltorganisation nicht, im Gegenteil, es stärkt sie. Es ist in der Tat ihre stärkste Stütze. Und warum sollte nicht eine europäische Gruppierung möglich sein, welche den verwirrten Völkern dieses unruhigen und mächtigen Kontinents ein erweitertes Heimatgefühl und ein gemeinsames Bürgerrecht zu geben vermöchte? Und warum sollte dieser nicht zusammen mit anderen großen Gruppen bei der Bestimmung des künftigen Schicksals der Menschheit seine berechtigte Stellung einnehmen? Damit das zustande kommen kann, braucht es einen Akt des Vertrauens, an dem Millionen von Familien verschiedener Sprachen bewusst teilnehmen müssen. Wir alle wissen, dass die beiden Weltkriege, die wir miterlebt haben, der eitlen Leidenschaft eines neuvereinigten Deutschlands entsprungen sind, welches die dominierende Rolle in der Welt spielen wollte. In diesem letzten Ringen wurden Verbrechen und Massenmorde begangen, für welche es seit der mongolischen Invasion des vierzehnten Jahrhunderts keine Parallele gibt und wie es sie in gleicher Weise zu keiner Zeit der Menschheitsgeschichte gegeben hat. Der Schuldige muss bestraft werden. Deutschland muss der Macht beraubt werden, sich wieder zu bewaffnen und einen neuen Angriffskrieg zu entfesseln. Aber wenn all das getan worden ist, so wie es getan werden wird, so wie man es bereits jetzt tut, dann muss die Vergeltung ein Ende haben. Dann muss das stattfinden, was Gladstone vor vielen Jahren "einen segensreichen Akt des Vergessens" genannt hat. Wir alle müssen den Schrecknissen der Vergangenheit den Rücken kehren. Wir müssen in die Zukunft schauen. Wir können es uns nicht leisten, den Hass und die Rachegefühle, welche den Kränkungen der Vergangenheit entsprangen, durch die kommenden Jahre mitzuschleppen. Wenn Europa vor endlosem Elend und schließlich vor seinem Untergang bewahrt werden soll, dann muss es in der europäischen Völkerfamilie diesen Akt des Vertrauens und diesen Akt des Vergessens gegenüber den Verbrechen und Wahnsinnstaten der Vergangenheit geben. Können sich die freien Völker Europas zur Höhe solcher Entschlüsse aufschwingen, die uns Seele und Instinkt des menschlichen Geistes nahelegen? Wenn sie es können, so werden auf allen Seiten die zugefügten Erniedrigungen und Beleidigungen durch das erlittene Elend ausgetilgt sein. Besteht irgendeine Notwendigkeit für weitere Qualen? Ist die Unbelehrbarkeit der Menschheit die einzige Lehre der Geschichte? Lasst Gerechtigkeit, Gnade und Freiheit herrschen! Die Völker müssen es nur wollen, und alle werden ihren Herzenswunsch erfüllen. Ich sage Ihnen jetzt etwas, das Sie erstaunen wird. Der erste Schritt zu einer Neuschöpfung der europäischen Völkerfamilie muss eine Partnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland sein. Nur so kann Frankreich seine moralische und kulturelle Führerrolle in Europa wiedererlangen. Es gibt kein Wiederaufleben Europas ohne ein geistig großes Frankreich und ein geistig großes Deutschland. Wenn das Gefüge der Vereinigten Staaten von Europa gut und richtig gebaut wird, so wird die materielle Stärke eines einzelnen Staates weniger wichtig sein. Kleine Nationen werden genau soviel zählen wie große, und sie werden sich ihren Rang durch ihren Beitrag für die gemeinsame Sache sichern. Die alten Staaten und Fürstentümer Deutschlands, in einem föderalistischen System zum gemeinsamen Vorteil freiwillig zusammengeschlossen, könnten innerhalb der Vereinigten Staaten von Europa ihre individuellen Stellungen einnehmen. Ich werde nicht versuchen, ein detailliertes Programm für Hunderte von Millionen Menschen zu entwerfen, welche glücklich und frei, zufrieden und sicher sein wollen, die jene vier Freiheiten, von denen der grosse Präsident Roosevelt sprach, genießen wollen und die nach Grundsätzen zu leben wünschen, die in der Atlantik-Charta verankert wurden. Wenn das ihr Wunsch ist, wenn das der Wunsch der Europäer in so vielen Ländern ist, müssen sie es nur sagen, und es können sicher Mittel gefunden und Einrichtungen geschaffen werden, damit dieser Wunsch voll in Erfüllung geht. Aber ich muss Sie warnen. Vielleicht bleibt wenig Zeit. Gegenwärtig gibt es eine Atempause. Die Kanonen sind verstummt. Die Kampfhandlungen haben aufgehört; aber die Gefahren haben nicht aufgehört. Wenn wir die Vereinigten Staaten von Europa, oder welchen Namen sie haben werden, bilden wollen, müssen wir jetzt anfangen. Augenblicklich leben wir in seltsamer und bedenklicher Weise unter dem Schild, und ich will sogar sagen Schutz, der Atombombe. Bisher ist die Atombombe nur in den Händen eines Staates und einer Nation, von der wir wissen, dass sie sie niemals brauchen wird, ausgenommen für die Sache von Freiheit und Recht. Aber es ist wohl möglich, dass dieses ungeheuerliche Zerstörungsmittel in ein paar Jahren weitverbreitet sein wird, und die Katastrophe, die seinem Gebrauch durch verschiedene kriegsführende Nationen folgen würde, bedeutete nicht nur das Ende all dessen, was wir Zivilisation nennen, sondern könnte wahrscheinlich sogar den Erdball selbst zerstören. Ich will nun die Aufgaben, die vor Ihnen stehen, zusammenfassen. Unser beständiges Ziel muss sein, die Vereinten Nationen aufzubauen und zu festigen. Unter- und innerhalb dieser weltumfassenden Konzeption müssen wir die europäische Völkerfamilie in einer regionalen Organisation neu zusammenfassen, die man vielleicht die Vereinigten Staaten von Europa nennen könnte. Der erste praktische Schritt wird die Bildung eines Europarates sein. Wenn zu Beginn nicht alle Staaten Europas der Union beitreten können oder wollen, so müssen wir trotzdem damit anfangen und diejenigen, die wollen, und diejenigen, die können, sammeln und zusammenführen. Die Errettung der Menschen aller Rassen und aller Länder aus Krieg und Knechtschaft muss auf soliden Grundlagen beruhen und garantiert werden durch die Bereitschaft aller Männer und Frauen, lieber zu sterben, als sich der Tyrannei zu unterwerfen. Bei all diesen dringenden Aufgaben müssen Frankreich und Deutschland zusammen die Führung übernehmen. Großbritannien, das britische Commonwealth, das mächtige Amerika, und, so hoffe ich wenigstens, Sowjetrussland - denn dann wäre tatsächlich alles gut - sollen die Freunde und Förderer des neuen Europa sein und dessen Recht, zu leben und zu leuchten, beschützen. Darum sage ich Ihnen: Lassen Sie Europa entstehen! Quelle: http://www.zeit.de/reden/die_historische_rede/200115_hr_churchill1_englisch